Die Tobago Cays, das Sehnsuchtsziel vieler Segler und Seglerinnen in diesem Gebiet, lockt uns schon lange. Alle erzählen begeistert von der kleinen, unbewohnten Inselgruppe, die nur per Schiff besucht werden kann. Wir freuen uns nicht nur auf dieses kleine Paradies, wir freuen uns ebenso auf zwei Familien, die vor Ort auf uns warten: Diejenigen des Schiffes "Hakuna Matata" und der "Livante", letzteres ebenfalls eine fransösische Familie, mit der wir zuletzt in Mindelo lustige Stunden verbracht haben. Wir werden nicht enttäuscht: Direkt bei unseren Freund:innen finden wir einen Ankerplatz und staunen über unsere neue Umgebung: Das Wasser strahlt uns türkis entgegen, Palmen säumen die kleinen Inseln, heller Strand leuchtet verlockend.... Ein kleines Paradies! Badehose, Schnorchel und Taucherbrille werden in den folgenden Tagen rege genutzt, wir tauchen mit unzähligen Meeresschildkröten, beobachten sie dabei, wie sie gemütlich Seegras kauen, finden ihre Artgenossen auf dem Land, treffen grosse Leguane und lassen die Abende am Strand mit den anderen Familien ausklingen. Eine tolle Zeit!
...Aber wie alles hat auch sie ihr Ende. Schlimm ist das allerdings in diesem Fall nicht, zu viel gibt es auf und um den unzähligen karibischen Inseln zu entdecken. A propos Inseln: Wir haben nun seit rund einem halben Jahr kein Festland mehr betreten. - Und waren dabei meistens Barfuss, die sogenannte "Barfussroute", wie dieser Teil der Segelroute auch genannt wird, hält also, was sie verspricht. Unser nächstes Ziel heisst Bequia, wiederum eine kleine Insel, die wie die Tobago Cays zu "St. Vincent und die Grenadinen" gehört. Die Bucht ist gemütlich, das kleine Dorf kunterbunt und freundlich. Wir besuchen die "Turtles Sanctuary", wo kleine Meeresschildkröten aufgezogen werden, um sie später, wenn sie grösser und weniger angreifbar sind, wieder in die Freiheit zu entlassen. Der Taxifahrer fährt uns nicht nur in seinem Abenteuergefährt mit offenem Verdeck über Land, er versorgt uns unterwegs auch mit Kokosnuss frisch von der Palme. Schweren Herzens lösen wir uns von dieser Bucht, auch hier gibt es nichts, das uns davontreibt. - Ausser unser Zeitplan, der vorgibt, Ende April den Rückweg von den Bahamas anzutreten.
In der Wallilabou Bay der nächsten Insel St. Vincent werden wir aprupt aus unserer Idylle gerissen: Boatboys - junge Männer auf kleinen Holzschiffen - bedrängen uns schon weit vor der Bucht damit, uns beim Anlegen helfen zu wollen. Hier geschieht dies per Boje am Bug des Schiffes, das Heck wird an einer Landleine am Land festgebunden. Das Schiff noch nicht festgemacht - unangenehm, da die Bucht nicht sehr tief ist und wir nicht mit dem Kiel auflaufen möchten - liegen bereits käufliche Arm- und Halskettchen auf unserem Schiff, gleichzeitig halten sich etwa drei Männer auf Stand up-Brettern und kleinen Kanus an unserer Reling fest, um mit uns um Früchtepreise zu feilschen. Dazu kommt, dass sich zwei Männer darum streiten, wer uns an der Boje festbinden kann. Wir sind überfordert von der Hektik in dieser winzigen Bucht und wissen gleichzeitig, dass anreisende Segelschiffe hier für willkommene Einkünfte sorgen und deshalb jeder der erste sein möchte, der etwas verdienen kann. Kaum sind wir sicher vertaut, beruhigt sich die Lage wieder. Wir atmen aus und sehen uns um: Wallilabou ist nicht nur eine wunderschöne, grüne Bucht, sie ist auch ein Drehort des Filmes "Fluch der Karibik". Wir erkunden die Überreste des Filmdrehs, Kulissen und Requisiten sind noch immer vorhanden und können nach Lust und Laune besichtigt werden. Wir kaufen Früchte von Marc, werden frühmorgens von Randalf mit Brot beliefert und Janosch und Nico freuen sich über ein Ketteli. Anders als zu Beginn sind alle Begegnungen zuvorkommend und sehr freundlich, wir plaudern über das Leben hier und sind gespannt, mehr von dieser fruchtbaren Insel zu entdecken. Möglich wird dies durch Alex, einem hiesigen Freund von Pit, dem Vater von Schiffseigner Jan. Wir werden für eine kleine Tour von ihm und einem Taxifahrer abgeholt. Die Fahrt führt zu einem Wasserfall, in dem wir schwimmen können und zur Küste, die von der Eruption des Vulkans im letzten Jahr gezeichnet ist. Dort, am Strand, entdecken wir campierende Fischer und Fischerinnen: Sie schlagen hier im letzten Viertel des Monats ihre Lager auf, um "Tschi-Tschi-Fische" zu fangen. Sie gelten als Leckerbissen und schwimmen dann vom Meer in die Flüsse ins Landesinnere. Aus einem Topf über dem Feuer riecht es sehr verlockend. Wir haben Glück und dürfen die kleinen, gut gewürzten Fische direkt aus der Pfanne probieren. Mmmmmh! Ein paar Schritte weiter treffen wir auf die Stelle, an der die Winzlinge gefangen werden. Ein Fischer schleppt gerade einen ganzen Kessel der kleinen Fischchen zum Lager, so dass wir einen Blick hineinwerfen können. Darin tummelt sich eine Masse sich windender, beinahe durchsichtiger Würmer. Lio schmunzelt und spricht aus, was nicht nur ihm durch den Kopf geht: "Ich bin nicht sicher, ob ich das noch probiert hätte, hätte ich das hier vorher gesehen."